VOLKSSCHAUSPIELMUSICAL
Freilichtspektakel auf der Festungsarena Kufstein
Buch und Regie: Ekkehard Schönwiese
Faszination Volksschauspielmusical. Mit fünfzig Darstellern, Sängern, Tänzern und Musikanten hat am 1. Juni „Kleiner Mann – bleib dran“ auf der Festung Kufstein Uraufführung. Ein kulinarischer und spektakulärer Blick zurück im Zorn in dunkle Zeiten, als der Zug abfuhr ins braune Chaos, geschrieben von Ekkehard Schönwiese, komponiert von Stefan Fritz, choreografiert von Reda Roshdy. Das Stadttheater Kufstein mit Turbo- Highlights auf der Festung Kufstein!
„Kleiner Mann – bleib dran“, in der nun vierten Spielzeit des Stadttheaters Kufstein unter dem Freilichtdach der Festungsarena schlägt in mehrfacher Hinsicht den Bogen zurück in die Geschichte. Das „Volks-schauspielmusical“ beschreibt in eindrucksvollen, kulinarischen Bildern die Weichenstellungen für das 20 Jahrhundert nach dem Ersten Weltkrieg. Es wird an Persönlichkeiten erinnert, die in Vergessenheit geraten sind, weil sie zu extrem links oder zu extrem rechts standen. Da sind auf der linken Seite Karl Mandler, sein Vater der „rote Christl“ und Adele Stürzl. Ein letzter Zug, den der „rote Christl“ führt, geht ab an die Front nach Ala. Ein Priester, Bramböck, schwört die „Letztfreiwilligen“ auf ihre heilige Pflicht ein. Sohn Karl Madler ist nicht dabei, er studiert das „Kapital“. Vater und Sohn geraten sich darüber in die Haare. Drei Frauen kommen am Bahnhof an. Eine soll bei einer Versammlung eine Rede halten, Sie heißt Maria Ducia, eine Tirolerin, Mutter von sechs Kindern, Frauenrechtlerin. Sie war in der Zeit von 1912 bis 1925 Vorsitzende im Frauenkomitee Tirol, setzte sich dann federführend für das Frauenwahlrecht ein. Ihr Lebensmotto ist auch das Motto des Stückes geworden: „Kleine Frau und kleiner Mann, geht euren Weg und lass die Leute schwatzen.“ Eine weitere Frau kommt gerade aus Ungarn, Adele Stürzl. Sie gerät schnell in Konflikt mit Ordnungshütern, weil sie ihren Mund nicht halten kann. Rosa kommt mit dem Zug aus Berlin. Ihr Geliebter, Waldemar Papst, ihr Geliebter, darf sich im Reich nicht blicken lassen. Man zahlt ihm, der (im geheimen Auftrag) Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erschossen hat, jede Menge Schweigegeld ins Tiroler Exil, wo er Waffen schmuggelt, dubiose Geschäfte treibt und die Heimwehr aufbaut. Eine unglaubliche, authentische Geschichte.“ Insgesamt werden die handelnden Personen im Spiel in ihren „Beziehungskisten“ beschrieben, auch wenn das dann manchmal frei erfunden ist.
„Die Herren Wunderich“ schlüpfen in die Rollen von Spitzeln mit Schlapphut und Gummimänteln und dürfen singen, Lieder aus den frühen 20er Jahren, allerdings musikalisch und textlich neu gefasst. Rosa, die Berlinerin (Varina Weinert), spielt nicht nur eine Berlinerin sondern ist auch eine, die es von dort nach Kufstein verschlagen hat. Als eine der Kufsteiner „Ladies“ ist sie nicht nur Sängerin sondern bereichert neben den Girls, die Cancan, Tango und Charleston tanzen das Spiel.
Maria Ducia
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/maria-ducia/
Waldemar Pabst
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldemar_Pabst
Adele Stürzl
http://de.wikipedia.org/wiki/Adele_St%C3%BCrzl
Karl Mandler
www.virtuelles-haus-der-geschichte-tirol.eu
Pressestimmen
. Premierenbericht auf vero-online.info
Der Autor im Interview
Herr Dr. Ekkehard Schönwiese, wie sind Sie „Landesspielberater“ geworden?
Um einer Kündigung als Dramaturg bei Intendantenwechsel (an den Vereinigten Bühnen Graz) zuvorzukommen, bewarb ich mich 1989 in Tirol mit einem Plan für „Innsbrucker Sommerspiele“. Das Konzept hieß: Kulturaustausches zwischen Stadt und Land. Die Idee wurde zwar gut geheißen, aber die Kulturrealität sieht anders aus. Städtische Sommerspiele wollen repräsentieren, haben schreckliche Angst vor Provinzialität und flüchten in das Einkaufen von Fertigware, auf Künstler aus aller Welt, auf Material aus dem Osten und aus den Ländern der Dritten Welt. Überhaupt ist Kulturgenuss mit dem Aufputz durch Maestros und Stars ein Relikt aus Zeiten, in denen es noch Kolonien gab, die für die Befestigung von europäischen Herrschaftsansprüchen sorgten. Mit meiner Kritik an dieser Welt stand ich im Sommer 1989 auf verlorenem Posten. Aber es gab da den Kulturlandesrat Fritz Astl, der kurzerhand meinem Vertrag mit den Innsbrucker Sommerspielen einen neuen Titel gab: „Landesspielberater“.
Und was haben Sie dann als solcher gemacht?
Was in Innsbruck nicht machbar war, unter anderen das Etablieren von Volksschauspielzentren in Talschaftsspielen, von Dölsach bis Elbigenalp, von Kauns bis ins Brixental. Natürlich gehörten auch Volkstheaterfestivals in Innsbruck ins Konzept, das übrigens vom Tiroler Volkstheater Kufstein kräftig unterstützt wurde. Ich erinnere mich noch, wie Richard Dolar aus dem technischen Fundus in Kufstein das Studio im Bierstindl spielbar machte und er hier im zerbrochenen Krug den „Adam“ spielte.
Sie sind Autor und Regisseur und stellen sich hier aber als jemand vor, dem der Austausch zwischen Stadt und Land ein kulturpolitisches Anliegen ist. Da haben Sie ja mit dem „Theater Netz Tirol“ in LRIn Dr. Beate Palfrader eine Unterstützerin gefunden. Was sind Sie jetzt in erster Linie, Autor, Regisseur, Dramaturg?
Schauen Sie. Mit der Funktionstrennung ist es ja auch so wie in der Wirtschaft. Sie sucht das Heil in der Spezialisierung und im Trennen von Bereichen und Aufgaben. Teile und herrsche! Nein, was ich als Landesspielberater treibe, hat mit dem Überwinden solcher Trennungen zu tun. Da bin ich weder Autor noch Regisseur, noch Dramaturg. Ich will mich einer Idee stellen und biete mich als Begleiter an, wo jemand neue Wege geht.
Inwiefern ist das, was Sie mit „Kleiner Mann-bleib dran“ vorhaben, etwas Neues.
Es ist das Wiederaufnehmen eines Fadens, der schon 1993 gesponnen wurde, mit dem Burgspiel „Hexen Adel, Antihelden“. Die Kinder im Spiel von damals sind heute die Macher des Stadttheaters Kufstein. Und die haben sich die Burg zurück erobert und kämpfen um ihren Raum im Spannungsfeld zwischen Operette, Events und Volksschauspiel. Und da bin ich gerne mit dabei.
War das Stück „Kleiner Mann-bleib dran“ Ihr Vorschlag? Ihr Angebot?
Nein. Der Impuls ging von Hildegard Reitberger aus, und von den Herrn Wunderlich. Wir unterhielten uns vor Jahren schon einmal über die Möglichkeit einer Stubenspielfassung von Falladas Roman „Kleiner Mann-was nun.“ Denn war die Überlegung, die Romandramatisierung von Tankred Dorst zu spielen, mit Revueszenen und Liedern der 20er Jahre. Das war vor 35 Jahren ein großer Hit in Bochum. Ich begleitete damals die Produktion am WLT und in Graz als Dramaturg, kannte das Stück also sehr gut.
Und warum ist dann nichts daraus geworden.
Unter anderem deshalb, weil ich es so gut kenne. In der Erinnerung habe ich das Spiel so idealisiert, dass ich dann beim Wiederlesen der sentimentalen Liebesgeschichte von Pinneberg und Lämmchen nach Fallada enttäuscht war. Und die dazu kontrastierenden Revueelemente erschienen mir wunderbar in der Erinnerung, aber nun doch nur als Show mit nostalgischen Effekten, die großen Aufwand erfordern. Glänzendes Vorspieltheater, aber was bewegt es? Kurzum mir ging beim neuen Lesen die Luft aus. Ich hatte keine Lust mehr. Und es ging nicht nur mir so.
Worum geht es in dem Stück, das ja offensichtlich als Reaktion auf das Vorhaben mit „Kleiner Mann-was nun?“ entstanden ist?
Reaktion würde ich jetzt nicht so sagen. „Kleiner Mann-was nun?“ war ein wesentlicher Impuls für die Entwicklung einer neuen Geschichte aus der alten. Wir haben uns auf eine Verwandlung eingelassen. So etwas ist ein Zündfunke für ein Feuer neuer Begeisterung. „Kleiner Man-was nun?“ ist eine Geschichte, die in Berlin der großen Arbeitslosigkeit, also in den späten 20er Jahren spielt. Wie verwandelt sie sich, wenn wir sie in Kufstein spielen lassen, wenn wir die Berliner Figuren durch biografisch bezeugte Personen aus Kufstein ersetzen, und wenn wir die Handlung von den späten „tollen Zwanziger Jahren“ auf den Beginn der Zeit des Überganges von der Monarchie zur Demokratie übertragen? Diese Fragen wurden zur Aufgabenstellung.
Wen haben Sie da als Kufsteiner Figuren gefunden?
Zum Teil natürlich auch erfunden! Es sind Figuren aus den unterschiedlichsten politischen Lagern. Und die sollte man sich zurück ins kollektive Gedächtnis spielen!
Können Sie uns kurz ein paar Personen nennen?
Wieder zu entdecken sind da etwa die engagierten Tirolerinnen Maria Ducia, eine Frauenrechtlerin, die entscheidend beim Durchsetzen des allgemeinen Wahlrechts war. Da ist die mutige Kufsteinerin Adele Stürzl. Für ihre klare Haltung köpften sie dann später die Nazis. Wesentlich mit im Spiel ist auch Karl Mandler, ein geradezu prophetischer Mahner in Sachen „Schuldenpolitik“, bis heute aus dem Gedächtnis gestrichten, weil er zu links stand. Aber auch einer, der zu weit rechts stand, ist verdrängt, Waldemar Papst, der im heimlichen Auftrag Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht exekutierte, nach Tirol flüchtete und hier der Führer der Heimwehr wurde.
Wie werden Sie das Stück inszenieren?
Singen, Tanzen, ein paar Beamer anstelle einer Dekoration. Also, viele Bilder im Hintergrund und im Lichtkegel, im Vordergrund, kleine menschliche Geschichten, die berühren. Es gibt über dreißig Rollen, die alle in ihren Beziehungsfeldern wie ein Kaleidoskop aus einer Zeit in Erscheinung treten, die aus den Fugen geraten ist. Es gibt keine Protagonisten, die Geschichte ist zusammengesetzt aus dem Aktionsradius des kleinen Mannes auf der Straße und der kleinen Frau im Betrieb und am Herd. Und da gibt es die, die dran bleiben auf der einen Seite, und die, die mitschwimmen, die sich forttragen lassen von der Welle, die sich zum Zunami des 20. Jahrhunderts auftürmt und Verheerung anrichtet. Aber das ist nicht mehr unsere Geschichte, denn wir spüren den Ursprüngen nach…
http://www.theaterverbandtirol.at